Wenn jemand stirbt, dann sag mir nicht:
„Dein Freund, der ist verreist.“
Denk doch mal nach, weißt du denn nicht,
was reisen für mich heißt?“
Ich frage dich:
Warum sagte er mir nicht:
„Leb wohl, auf Wiedersehen.“
Warum ließ er mich ohne Gruß
hier einsam traurig stehen?
Wie lange kommt er nicht zurück,
und fehlt mir so zu meinem Glück?
Er schlich sich fort so wie ein Dieb.
Hat er mich plötzlich nicht mehr lieb?
Wenn jemand stirbt, dann sag mir nicht:
„Er schläft in seinem Grab.“
Denk doch mal nach, weißt du denn nicht,
welch große Sorgen ich dann hab?
Wann wird er wach im dunklen Grab,
weil er doch gar nicht richtig starb.
Wird er dort unten überleben,
kann er den schweren Deckel heben?
Und was geschieht, wenn ich jetzt schlaf?
Ob ich im Bett erwachen darf?
Oder werd ich dann im Grabe liegen,
die Angst vorm Schlaf wird mich besiegen.
Wenn jemand stirbt, dann sag mir nicht:
„Er starb, denn er war krank.“
Denk doch mal nach, weißt du denn nicht,
wie sehr ich um euch bang?
Was ist, wenn euch ein Schnupfen quält,
die Grippe euch im Bette hält?
Sterbt ihr und geht für immer fort,
lasst mich allein an diesem Ort?
Und liegt ihr gar im Krankenhaus,
ist euer Leben auch bald aus?
Wenn jemand stirbt, dann sagt mir nicht:
„Gott holte ihn, weil er ihn liebt.“
Denk doch mal nach, weißt du denn nicht,
welch Gottesbild sich dann ergibt?
Wann holt euch Gott, aus lauter Lieb,
stiehlt Freunde mir so wie ein Dieb?
Holt er auch mich, wenn lieb ich bin?
Dann macht das Gutsein keinen Sinn.
Ich möchte doch die Welt entdecken.
Muss ich mich dann vor Gott verstecken?
Wenn jemand stirbt, dann bitt ich dich:
Ich bin ein Kind! Vergiss das nicht!
Ich hab ein Recht auf Ehrlichkeit,
besonders in der schweren Zeit.
Doch im Gespräch denk stets daran,
dass manches Wort verwirren kann.
Zeig einfach mir, wie es dir geht,
weil das wohl jedes Kind versteht.
Lass uns gemeinsam trauern, handeln,
dann kann sich Angst in Hoffnung wandeln.
(Verfasser: leider nicht bekannt)
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